Dankesrede vom künstlerischen Leiter Raúl Avellaneda
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freunde,
zunächst möchte ich mich im Namen aller Teilnehmer der Gruppe Nebelhorn für diese besondere Ehrung herzlich bedanken.
Der Landschaftsverband Rheinland ist für uns in diesen 27 Jahren künstlerischer Arbeit immer eine große Unterstützung gewesen. Gemeinsam entwickelten wir Projekte, um die inklusive Arbeit der Gruppe Nebelhorn aufrecht zu erhalten, weiter zu entwickeln und in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Der LVR ist inzwischen für uns ein wichtiger Partner geworden.
1989 bin ich aus meinem Heimatland Perú in Südamerika gekommen, um in der Bundesrepublik Deutschland das Projekt Todesbilder, Perú oder das Ende des europäischen Traums in mehreren Großstädten in der Bundesrepublik zu präsentieren. Über persönliche Begegnungen fand ich mein Zuhause in einem abgeschiedenen Haus in Gahlen, in der Gemeinde Schermbeck.
Im Jahr 1994 leitete ich mehrere künstlerische Kurse in verschiedenen Volkhochschulen der Region. Nach einigen Monaten suchte ich gemeinsam mit meinen Schülern einen Raum, um dort eine Werkstatt für Kreatives Gestalten zu gründen und zwar unabhängig von Institutionellen räumlichen Einschränkungen.
Unter der Bedingung, die Bewohner des Hauses in die Aktivitäten einzubeziehen, bot uns
eine Wohnstätte für Behinderte in Schermbeck– einen leerstehenden Keller an, der für ein solches Vorhaben geradezu ideal war.
Schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass es sich dabei um mehr als eine lokale Lösung handelte: Hier fanden beide Gruppen – Menschen mit und ohne Behinderung – einen Ort, an dem außergewöhnliche zwischenmenschliche Erfahrungen über gemeinsames schöpferisches Arbeiten möglich wurden. In dem so entdeckten freien Raum konnten in gegenseitigem Dialog Träume und Phantasien in künstlerisch überzeugende Methapern verwandelt werden.
Die sogenannten `Behinderten´ machten es für alle anderen möglich, durch ihr menschlich unkompliziertes und emotionsbetontes Reagieren eine bis dahin unbekannte Art der Wahrnehmung kennenzulernen- eine völlig veränderte `Sicht´ auf die gewohnte Wirklichkeit zu erfahren.
Mir wurde klar, dass das „Behindert sein“ nur als eine andere Möglichkeit von „Sein“, von Denken und Fühlen zu erfahren ist.
Die Gruppe gab sich den Namen Nebelhorn – auch ein Indiz auf ihre individuelle innere und gesellschaftliche Situation.
Nach mehreren Umzügen fand Nebelhorn schließlich 1997 ein neues Zuhause auf der Anlage einer Einrichtung für nicht sesshafte Menschen im Weseler Wald. Die Bewohner dieser Einrichtung bringen jetzt ihre Lebenserfahrungen auch in die künstlerische Arbeit der Gruppe ein.
Wir arbeiten gemeinsam beinah täglich oft bis spät in die Nacht hinein.
Als wichtigste Motivation stellte sich für alle Teilnehmer der Gruppe die Notwendigkeit heraus, vor allem ihre `Gefühlswelten´ darzustellen, einfacher gesagt: Der Austausch so starker Energien setzte einen Strom bis dahin kaum aktivierte Phantasie frei.
Für mich war von Anfang an entscheidend eine offene familiäre nicht Zeit gebundene und freie Möglichkeit anzubieten in der, bewogen durch die künstlerische Freiheit, jeder seine Ideen als `Werk´ verwirklichen kann. Ohne ästhetische oder technische Vorgaben, ohne thematische Einschränkung.
Nun nach 27 Jahren, lieber Gruppe Nebelhorn, ist es euch aus der Perspektive der Betroffenen durch eure überzeugende künstlerische Arbeit gelungen auf einer überregionalen Ebene, das Bewusstseins der Besucher eure Veranstaltungen zu erweitern. Die Bilder, Skulpturen, Zeichnungen, Rauminstallationen und Performances die ihr geschaffen habt, vermitteln den Zuschauern ein Bild der traurigen Welt in der wir leben. Nicht umsonst habt ihr euch im Laufe dieser langen Zeit für gesellschaftskritische Themen entschieden. Die Projekte Köpfe, Spiegelbilder, Veränderungen, Macht-Missbrauch oder Flucht geben Zeugnis davon.
Seit 2019 arbeitet ihr am Projekt Grenzüberschreitungen, überrascht vom grenzüberschreitenden Corona-Virus habt ihr auch hier neue Wege der Kommunikation gefunden. Eine WhatsApp Gruppe wurde gegründet. Bis heute wird diese Plattform genutzt, um gesendete Botschaften online in Bilder zu Verwandeln. Im Sommer dieses Jahres werdet ihr im Kunstquartier Bethanien in Berlin in Form einer großen Ausstellung die Resultate dieses Projektes zeigen. Auch in NRW ist eine Ausstellung geplant.
Eure Kraft, Konsequenz und Überzeugung, hat aus der Gruppe, dass gemacht was Nebelhorn geworden ist. Das alles berührt mich sehr.
Ich bin euch für euer Vertrauen sehr dankbar und bin glücklich, dass ihr mir weiter die Kraft gebt, um neue spannende Wege für unsere zukünftige Arbeit zu finden.
Denise, Susann, Frank, Bettina, Christoph, Carsten, Adam, Sandra, Antje, Christiane, Melanie, Werner, Philipp, ihr seid stellvertretend hier, für hunderte von Menschen die Spuren in der Geschichte der Gruppe Nebelhorn hinterlassen haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass von unserer Werkstatt aus immer wieder weitere Signale der Verständigung gesendet werden, wie das Tuten eines Nebelhorns das Hilft sich im Nebel zu begegnen.
Zum Schluss lasse ich einen Teilnehmer der Gruppe zu Wort kommen, der diesen Gedanken über seine Arbeit formulierte:
„Ich habe schöne Bilder gemalt -ich fühle mich gut, aber noch nicht ganz, weil ich Heimweh habe. Meine Bilder bringen mir nichts, ich muss was Schwereres machen, was keiner kann.
Ich will ein Dorf machen im Garten mit Legosteinen.
Alle sollen Schweres machen, Alle von der Gruppe Nebelhorn, das ist besser für die Gedanken. Dass die Gedanken selber rauskommen aus den Herzen.
Leichtes ist nicht besser als Schweres,
Schweres ist besser als Leichtes.
Die Musik, die Hoffnung, der Geist und die Zukunft bringen was.“
Ich wünsche Ihnen weiterhin eine schöne Veranstaltung und lade Sie gerne ein unsere offene Werkstatt in Schermbeck zu besuchen.
Vielen Dank!
Raúl Avellaneda