In einem Projektraum innerhalb dieser Ausstellung werden Teilnehmer*innen der Gruppe Nebelhorn
Sonntag den 29. Januar, 5., 12., 19. und 26. Februar von 14.00 – 18.00 Uhr
Möglichkeiten für den Besucher anbieten, sich kreativ mit verschiedenen künstlerischen Mitteln mit dem Thema Sehnsucht zu befassen.
Sonntag, den 19. Februar
Sonntag, den 12. Februar
Sonntag, den 29. Januar
Freitag, den 3. und Samstag, den 4. Februar arbeiteten wir mit den „Ruhrorter Hafenkids“ zum Thema Sehnsucht.
„Sehnsucht“
Ein künstlerisches Projekt der Gruppe Nebelhorn
Sehnsucht kennen wir alle, jeder von uns hat schon einmal etwas haben wollen, sich danach aus vollem Herzen gesehnt und es nicht bekommen können.
In der Gruppe Nebelhorn treffen sich seit 1995 Menschen mit und ohne Behinderung: Geistigbehinderte, Körperbehinderte, psychisch Kranke, Suchtkranke, nicht sesshafte Menschen, Kinder, Studenten, Handwerker, Lehrer, Hilfebedürftige, viele verschiedene Menschen also, um gemeinsam künstlerisch zu arbeiten. Regelmäßige Projekte und Ausstellungen haben den Aktivitäten der Gruppe einen überregionalen Bekanntheitsgrad geschaffen.
Besonders Teilnehmer aus dem Land NRW nehmen regelmäßig an den fast täglichen Aktivitäten der Gruppe teil.
Diesmal hat sich die Gruppe Nebelhorn vorgenommen, ein generationsübergreifendes Thema zu reflektieren: Sehnsucht.
Das Thema Sehnsucht als Gefühl des Verlangens nach Lösungen für anstehende Wünsche, meistens emotionaler Natur, bietet unbegrenzte Möglichkeiten für die künstlerische Auseinandersetzung.
Die Teilnehmer am Projekt, angeleitet vom künstlerischen Leiter der Gruppe Nebelhorn, werden sich in Gruppen von 10 bis 15 Personen mit Zeichnungen, Bildern, Rauminstalationen, Fotografien und Filmen bis Ende März 2023 kreativ mit dem Thema befassen.
Interessierte aus dem gesamten Ruhrgebiet sind herzlich eingeladen mitzuwirken.
Die Spielorte des Projektes werden hauptsächlich die Werkstatt der Gruppe Nebelhorn in Schermbeck sein. Weitere Spielorte in Duisburg, Goch und Wesel sind geplant.
Es ist angedacht, das Projekt ebenfalls an öffentlichen Plätzen der mitwirkenden Städte durchzuführen, mit der Absicht, Passanten miteinzubeziehen.
Als wesentliche künstlerische Ausdrucksmöglichkeit werden Fotografie und Film zur Dokumentation genutzt werden. So ergibt sich die Möglichkeit Spontane szenische Darstellungen zum Thema fest zu halten.
Die Resultate des Projektes werden in Form einer Ausstellung in Duisburg, Schermbeck oder Wesel präsentiert. Dazu finden Vorträge über die Entstehung und Verwirklichung des Projektes statt.
Rauminstallationen des Projektes Sehnsucht werden als work in progress im Rahmen der Ausstellung „Grenzüberschreitungen“ in der cubus kunsthalle in Duisburg vom 22. Januar bis zum 26. Februar 2023 präsentiert.
Wir möchten alle Interessenten herzlich einladen mit zu machen.
Als Austausch Ebene haben wir eine WhatsApp Gruppe Sehnsucht gegründet wozu jeder herzlich eingeladen ist.
Im Jahr 1995 gründete sich die Gruppe Nebelhorn in Schermbeck am Niederrhein. Die außergewöhnlich familiäre Atmosphäre des Ateliers und das spürbar gewonnene Gefühl von Schutz und Freiheit innerhalb der Räumlichkeiten in Schermbeck hat über längere Zeit alle Beteiligten an unterschiedlichen künstlerischen Aktivitäten dazu bewogen, sich mit unausgesprochenen Konfliktthemen zu beschäftigen. Mit großer Hingabe stellen die Mitwirkenden ihre verdrängten „Lebensverletzungen“ in Bildern, Fotografien, Filmen und Plastiken mit überzeugender Kraft dar.
Das Prinzip der gemeinsamen Arbeit basiert auf einer gleichberechtigten Behandlung aller Teilnehmer. Die Selbstverständlichkeit innerhalb der Gruppe den Anderen zu achten, zu respektieren und in Konfliktsituationen Hilfe zu leisten ist seit ihrer Gründung stark verankert.
-Das Projekt
Die Überschreitung von Grenzen erleben wir auf unterschiedlichen Ebenen. Wenn die Macht anderer auf unsere persönliche und individuelle Lebenshaltung einwirkt, erleben wir das Gefühl der Ohnmacht. Ungerechte bestehende gesellschaftliche Strukturen schränken vor allem das Leben der Schwächeren ein. Besonders Menschen mit Behinderung erleben beinah täglich die Missachtung ihrer Grenzen. Wenn sie aber mit ihrem gesunden Menschenverstand den Versuch wagen, sich dagegen zu wehren, erfahren sie bald die institutionelle Repression: Erzieherische Maßnahmen im erwachsenen Alter oder das Einsetzen von Psychopharmaka lassen dann nicht lange auf sich warten.
Im Sommer 2019 begann die Gruppe Nebelhorn sich mit dem Thema Grenzüberschreitungenauseinanderzusetzen.
Ursprünglich war angedacht, über einen Zeitraum von 18 Monaten mit allen gesellschaftlichen Gruppierungen mit und ohne Behinderung eine intensive Begegnung in Ateliers und in öffentlichen Räumen in Nordrhein-Westfalen und in Berlin herbeizuführen.
Die ersten Begegnungen fanden in Ateliers in Schermbeck und Wesel statt. Anschließend wurde der Projektraum vom Kunstquartier Bethanien in Berlin ein beliebter Ort, um in Form von offenen Ateliers, Menschen zu bewegen, in diesem kreativen Prozess teilzunehmen. Dort entstanden zahlreiche Bilder und fanden öffentliche Performances statt in denen die Besucher angeregt wurden sich einzubringen und mitzuwirken.
Im Zusammenspiel von Gesprächen, Schriften, theatralischen Darstellungen und improvisierter Musik fand ein außergewöhnliches Zusammenspiel zwischen allen Teilnehmern mit dem umfangreichen Thema „Grenzüberschreitungen“ statt. Mittels ihrer Kreativität wurden die Ideen in überzeugende multimediale Methapern umgesetzt.
Nun, damals erahnten wir nicht, dass bald die grenzüberschreitende Corona-Pandemie die ganze Welt in Atemnot versetzen und somit die geplante weitere Entwicklung des Projektes gefährden würde.
Das von der Gruppe bis zum Einbruch der Pandemie benutzte rot-weiße Gefahrenband wurde zum Sinnbild der Absperrung und Grenzsetzung für den Kampf gegen einen unbekannten tödlichen Virus.
Bald erfuhren wir alle die Konsequenzen der Ausgrenzung und Isolierung am eigenen Leib: Die Missachtung mehrerer Grenzen die unsere ersehnte Freiheit massiv gefährdete. Besonders die Menschen mit Behinderung erfuhren die verheerenden einschränkenden Folgen der grenzüberschreitenden Corona-Pandemie.
Auch die Angst vor dem bevorstehenden Krieg hinterließ Spuren in der weiteren Entwicklung des Projektes.
Der Tod war allgegenwärtig. Die Angst, das Leben zu verlieren wurde in uns allen wach, als ob sie aus der Tiefe unserer Urängste auf eine brutale und rücksichtslose Weise als Hauptgedanke in unser Dasein eingedrungen sei.
Menschen mit Handicap erlebten besonders die Wirkung dieser weltweiten Tragödie.
-Die Arbeit in Zeiten der Corona-Pandemie
Im eigenen Haushalt eingesperrt, isoliert und verängstigt erlebten wir einen alptraumähnlichen Zustand. Jeder versuchte verzweifelt neue Möglichkeiten der Kommunikation zu finden. Die von vielen zunächst abgelehnte virtuelle Begegnung übernahm eine wichtige Rolle als Möglichkeit dieser Situation zu bewältigen.
Bewogen von der starken Notwendigkeit trotz aller Corona-Einschränkungen den zwischenmenschlichen Kontakt für das Projekt aufrecht zu erhalten, gründete Nebelhorn eine WhatsApp-Gruppe. Hier hatten wir die Gelegenheit über Wort, Bild, Film und Ton miteinander zu kommunizieren. Beinah 100 Teilnehmer trafen sich fast täglich auf dieser Plattform und tauschten ihre kreativen Vorstellungen und Gedanken zum Thema Grenzüberschreitungen aus.
Bilder, von einem zum anderen gesendet, wurden online verändert und ergänzt. Ton- und Filmbotschaften regten zur weiteren schöpferischen
Arbeit an. Die geografischen Entfernungen konnten so überwunden werden. Menschen, die in der Vergangenheit im Atelier der
Gruppe mitgewirkt hatten und auf anderen Kontinenten leben, fanden den Weg zurück zur Gruppe und konnten so Anteil an der künstlerischen Arbeit nehmen.
Diejenigen die sich nicht an den virtuellen Möglichkeiten beteiligen konnten, nahmen im Sinne einer Stillen Post an der gemeinsamen Gestaltung von Zeichenbüchern und Bildern die hin und her versendet wurden teil.
In einigen Wohnheimen fanden eingeschränkte Begegnungen in abgetrennten Bereichen unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen statt.
Hinter Masken und mit dem unausweichlichen Geruch nach Desinfektionsmitteln und Gummihandschuhen konnten wir das Projekt fortsetzen.
Dankesrede vom künstlerischen Leiter Raúl Avellaneda
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freunde,
zunächst möchte ich mich im Namen aller Teilnehmer der Gruppe Nebelhorn für diese besondere Ehrung herzlich bedanken.
Der Landschaftsverband Rheinland ist für uns in diesen 27 Jahren künstlerischer Arbeit immer eine große Unterstützung gewesen. Gemeinsam entwickelten wir Projekte, um die inklusive Arbeit der Gruppe Nebelhorn aufrecht zu erhalten, weiter zu entwickeln und in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Der LVR ist inzwischen für uns ein wichtiger Partner geworden.
1989 bin ich aus meinem Heimatland Perú in Südamerika gekommen, um in der Bundesrepublik Deutschland das Projekt Todesbilder, Perú oder das Ende des europäischen Traums in mehreren Großstädten in der Bundesrepublik zu präsentieren. Über persönliche Begegnungen fand ich mein Zuhause in einem abgeschiedenen Haus in Gahlen, in der Gemeinde Schermbeck.
Im Jahr 1994 leitete ich mehrere künstlerische Kurse in verschiedenen Volkhochschulen der Region. Nach einigen Monaten suchte ich gemeinsam mit meinen Schülern einen Raum, um dort eine Werkstatt für Kreatives Gestalten zu gründen und zwar unabhängig von Institutionellen räumlichen Einschränkungen.
Unter der Bedingung, die Bewohner des Hauses in die Aktivitäten einzubeziehen, bot uns
eine Wohnstätte für Behinderte in Schermbeck– einen leerstehenden Keller an, der für ein solches Vorhaben geradezu ideal war.
Schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass es sich dabei um mehr als eine lokale Lösung handelte: Hier fanden beide Gruppen – Menschen mit und ohne Behinderung – einen Ort, an dem außergewöhnliche zwischenmenschliche Erfahrungen über gemeinsames schöpferisches Arbeiten möglich wurden. In dem so entdeckten freien Raum konnten in gegenseitigem Dialog Träume und Phantasien in künstlerisch überzeugende Methapern verwandelt werden.
Die sogenannten `Behinderten´ machten es für alle anderen möglich, durch ihr menschlich unkompliziertes und emotionsbetontes Reagieren eine bis dahin unbekannte Art der Wahrnehmung kennenzulernen- eine völlig veränderte `Sicht´ auf die gewohnte Wirklichkeit zu erfahren.
Mir wurde klar, dass das „Behindert sein“ nur als eine andere Möglichkeit von „Sein“, von Denken und Fühlen zu erfahren ist.
Die Gruppe gab sich den Namen Nebelhorn – auch ein Indiz auf ihre individuelle innere und gesellschaftliche Situation.
Nach mehreren Umzügen fand Nebelhorn schließlich 1997 ein neues Zuhause auf der Anlage einer Einrichtung für nicht sesshafte Menschen im Weseler Wald. Die Bewohner dieser Einrichtung bringen jetzt ihre Lebenserfahrungen auch in die künstlerische Arbeit der Gruppe ein.
Wir arbeiten gemeinsam beinah täglich oft bis spät in die Nacht hinein.
Als wichtigste Motivation stellte sich für alle Teilnehmer der Gruppe die Notwendigkeit heraus, vor allem ihre `Gefühlswelten´ darzustellen, einfacher gesagt: Der Austausch so starker Energien setzte einen Strom bis dahin kaum aktivierte Phantasie frei.
Für mich war von Anfang an entscheidend eine offene familiäre nicht Zeit gebundene und freie Möglichkeit anzubieten in der, bewogen durch die künstlerische Freiheit, jeder seine Ideen als `Werk´ verwirklichen kann. Ohne ästhetische oder technische Vorgaben, ohne thematische Einschränkung.
Nun nach 27 Jahren, lieber Gruppe Nebelhorn, ist es euch aus der Perspektive der Betroffenen durch eure überzeugende künstlerische Arbeit gelungen auf einer überregionalen Ebene, das Bewusstseins der Besucher eure Veranstaltungen zu erweitern. Die Bilder, Skulpturen, Zeichnungen, Rauminstallationen und Performances die ihr geschaffen habt, vermitteln den Zuschauern ein Bild der traurigen Welt in der wir leben. Nicht umsonst habt ihr euch im Laufe dieser langen Zeit für gesellschaftskritische Themen entschieden. Die Projekte Köpfe, Spiegelbilder, Veränderungen, Macht-Missbrauch oder Flucht geben Zeugnis davon.
Seit 2019 arbeitet ihr am Projekt Grenzüberschreitungen, überrascht vom grenzüberschreitenden Corona-Virus habt ihr auch hier neue Wege der Kommunikation gefunden. Eine WhatsApp Gruppe wurde gegründet. Bis heute wird diese Plattform genutzt, um gesendete Botschaften online in Bilder zu Verwandeln. Im Sommer dieses Jahres werdet ihr im Kunstquartier Bethanien in Berlin in Form einer großen Ausstellung die Resultate dieses Projektes zeigen. Auch in NRW ist eine Ausstellung geplant.
Eure Kraft, Konsequenz und Überzeugung, hat aus der Gruppe, dass gemacht was Nebelhorn geworden ist. Das alles berührt mich sehr.
Ich bin euch für euer Vertrauen sehr dankbar und bin glücklich, dass ihr mir weiter die Kraft gebt, um neue spannende Wege für unsere zukünftige Arbeit zu finden.
Denise, Susann, Frank, Bettina, Christoph, Carsten, Adam, Sandra, Antje, Christiane, Melanie, Werner, Philipp, ihr seid stellvertretend hier, für hunderte von Menschen die Spuren in der Geschichte der Gruppe Nebelhorn hinterlassen haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass von unserer Werkstatt aus immer wieder weitere Signale der Verständigung gesendet werden, wie das Tuten eines Nebelhorns das Hilft sich im Nebel zu begegnen.
Zum Schluss lasse ich einen Teilnehmer der Gruppe zu Wort kommen, der diesen Gedanken über seine Arbeit formulierte:
„Ich habe schöne Bilder gemalt -ich fühle mich gut, aber noch nicht ganz, weil ich Heimweh habe. Meine Bilder bringen mir nichts, ich muss was Schwereres machen, was keiner kann.
Ich will ein Dorf machen im Garten mit Legosteinen.
Alle sollen Schweres machen, Alle von der Gruppe Nebelhorn, das ist besser für die Gedanken. Dass die Gedanken selber rauskommen aus den Herzen.
Leichtes ist nicht besser als Schweres,
Schweres ist besser als Leichtes.
Die Musik, die Hoffnung, der Geist und die Zukunft bringen was.“
Ich wünsche Ihnen weiterhin eine schöne Veranstaltung und lade Sie gerne ein unsere offene Werkstatt in Schermbeck zu besuchen.
Grenzüberschreitungen sind häufig Ursache von unausgesprochenen, schweren seelischen Verletzungen. Besonders Menschen mit Behinderungen erleben Grenzüberschreitungen, oft ohne sich darüber mitteilen zu können.
Die Gruppe Nebelhorn aus NRW setzt sich mit dem Begriff „Grenzüberschreitungen“ seit 2019 auseinander. Die Resultate des Projektes werden sowohl in Berlin als auch in NRW in Form von Ausstellungen im Jahr 2022 präsentiert.
Diesmal lädt Nebelhorn Interessenten aller Altersgruppen mit und ohne Behinderung aus der Stadt Berlin ein, sich in offenen Ateliers künstlerisch mit diesem Thema zu beschäftigen.
Im Projektraum des Kunstquartiers Bethanien in Kreuzberg werden die Besucher Gelegenheit haben, anhand von Zeichnungen, Bildern, Collagen, Rauminstallationen, Texten, theatralischen Darstellungen, Tonaufnahmen, Fotografie und Film ihre persönlichen Erfahrungen und Meinungen zu der Problematik der Grenzüberschreitungen zu äußern. Vorkenntnisse sind nicht notwendig.
Mit diesem Projekt möchten wir gemeinsam das Bewusstsein für die Problematik von „Grenzüberschreitungen“ wecken. Unser Wunsch ist es, nach Lösungen und Anregungen zu suchen.
Die Offenen Ateliers finden in der Zeit vom 15. – 23. Oktober 2021 / täglich von 15 – 20 Uhr statt.
Die öffentlichen Performances finden am 16., 17., 22. und 23. Oktober 2021 jeweils von 18 – 20 Uhr statt.
ein inklusives multimediales künstlerisches Projekt von und für Menschen mit und ohne Behinderung
Fast täglich erleben wir Grenzüberschreitungen in unterschiedlichen Bereichen unseres Alltags. Menschen mit Behinderungen, die sich oft nicht mitteilen können, leiden besonders unter der Missachtung ihrer Grenzen. Künstlerischer Ausdruck jedoch eröffnet unbegrenzte Möglichkeiten, seelische Belastungen ohne Worte zu kommunizieren.
Die Gruppe Nebelhorn aus NRW lud zum ersten Mal Interessenten aller Altersgruppen mit und ohne Behinderung aus der Stadt Berlin ein, sich künstlerisch mit dem Thema „Grenzüberschreitungen“ auseinander zu setzen und ihre persönlichen Erfahrungen mit multimedialen künstlerischen Mitteln zu äußern.
Im kreativen dynamischen Austausch mit Mitgliedern der Gruppe Nebelhorn hatte der Besucher im Projektraum des Kunstquartiers Bethanien die Gelegenheit, sich in gemeinsamen Bildern und theatralischen Darstellungen frei zum Thema zu äußern.
Nach einer 18 monatigen Atelier-Phase werden die individuellen Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit sowohl in Berlin als auch in NRW in Form einer Ausstellung präsentiert.
Mit diesem Projekt möchten wir das Bewusstsein für die Problematik „Grenzüberschreitungen“ wecken.
Christel Bischoff, langjähriges Mitglied der Gruppe Nebelhorn, ist am 1. November 2018 verstorben. Christel war seit der Gründung der Gruppe Nebelhorn im Sommer 1995 das Herz der Gemeinschaft, mit großzügigem Engagement sorgte sie für das Zusammenhalten aller Gruppenmitglieder.
Mit ihren Bildern nahm sie Stellung zu den politischen und gesellschaftlichen Ereignissen unserer Gesellschaft.
Themen, die ihr Dasein als Mensch mit Behinderung reflektierten sowie die Bedrohungen der Schwächeren hatten für sie große Bedeutung.
Ihr künstlerisches Werk umfasst Hunderte von großformatigen Arbeiten in unterschiedlichen Techniken.
Christel wird für uns immer ein Vorbild bleiben.
`Ich, die Christel´
`Die Wiedergeburt des Teufels´
`Die Frau sieht den Tod vor sich´
`Die Frau im Teufelskreis´
`Die Kristallnacht´, aus dem Zyklus Euthanasie im Dritten Reich
`Die Todesspritze´, aus dem Zyklus Euthanasie im Dritten Reich
`Die drei Brüder, die den Holocaust nicht überlebt haben´, aus dem Zyklus Euthanasie im Dritten Reich
`Der Jude und der Ausländer´, aus dem Zyklus Euthanasie im Dritten Reich
Die Gruppe Nebelhorn hat am Samstag den 6. und Sonntag den 7. Oktober von 12:00 -20:00 Uhr die Teilnehmer am Workshop dazu bewegt, ein Schlafzimmer, in dem sich zwei Figuren aufhilten, immer wieder neu zu gestalten.
Die am Projekt Mitwirkenden wurden dazu angeregt mittels unterschiedlicher Materialien die Figuren und den Raum in immer neue Beziehungen zu setzen. So entstand eine abgeschlossene aber vergängliche Rauminstallation.
Dieser Entstehungsprozess wurde filmisch und fotografisch dokumentiert, bevor der Raum in den ursprünglichen Zustand versetzt wurde. Damit konnte der Gestaltungsprozess neu beginnen.
Seit 1995 ist das Atelier der Gruppe Nebelhorn ein Zufluchtsort. Menschen mit ganz unterschiedlichen Schicksalen und außergewöhnlichen Lebenserfahrungen – selbst oft Opfer von Ausgrenzung und Diskriminierung – treffen sich dort, um gemeinsam künstlerisch zu arbeiten.
Die Abgeschiedenheit der Werkstatt ist dabei kein Hindernis, den Weg dorthin zu finden. Fast täglich kommen Menschen aus der näheren und weiteren Umgebung zusammen, um in gegenseitigem Austausch und in vertrauter Atmosphäre durch schöpferische Prozesse Bilder zu schaffen, die für ihr Anderssein von großer und existenzieller Bedeutung sind.
Verborgene Problematiken, Ängste und Konflikte finden so den notwendigen Raum, um in der Gemeinschaft freier künstlerischer Ausdruck zu werden.
Kreativität in all ihren Facetten bietet uns Menschen die Chance, Wege aus unseren jeweiligen Schwierigkeiten zu entwickeln. Wir haben von Kind an gelernt sehr erfinderisch zu sein, um vor all den Problemen zu entfliehen, die wir als belastend empfinden: traumatische Erfahrungen, Angst, Einsamkeit, Hunger, Gewalt, Not, Krieg, Verfolgung. Wir flüchten vor den Gefahren, durch die wir unsere innere und äußere Existenz bedroht sehen. Nicht gelungene Fluchtversuche sind oft Ursachen von schweren körperlichen und psychischen Leiden, Auslöser von Süchten und sie führen nicht selten zum Tod.
Als ich gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könne, das Thema Flucht mit den Teilnehmern der Gruppe Nebelhorn als künstlerisches Projekt zu entwickeln, musste ich an die aktuellen globalen Entwicklungen und an Bilder von unlösbaren Lebenssituationen denken und stellte mir verschiedene Fragen:
Was bewegt einen Menschen zur Flucht?
Über welche Vorstellungen von Flucht sprechen wir überhaupt?
Welche Bedeutung hat das Thema „Flucht“ für die einzelnen Mitglieder der Gruppe Nebelhorn?
Ich stellte mir vor: Wir befinden uns an einem wunderschönen Ort. Diesen Ort haben wir uns ausgesucht, um glücklich zu sein. Hier erleben wir Freiheit und Frieden. Ein paradiesischer Platz also, an dem wir so sein können wie wir möchten.
Stellen wir uns nun vor, dass um uns ein grauer Käfig entsteht, in dem wir eingesperrt sind und mit unseren Wünschen und Erinnerungen allein gelassen werden.
Als ich mitten im Atelier einen Käfig aufbaute, um eine sinnliche Anregung als Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit der Problematik des Flüchtens zu schaffen, erwartete ich nicht, dass mehrere Teilnehmer diesen Käfig als Ort ihrer inszenierten Flucht nutzen würden. Der Rückzug aus der „großen bösen Welt“ in den kleinen überschaubaren und geschützten Raum wurde zum Spielort. Selbst die Chance auf eine Befreiung wurde bewusst abgelehnt oder deren Sinn in Frage gestellt.
Flucht verlor hier seine ursprüngliche Bedeutung und kehrte sich zu einer Flucht ins Innere.
Bei der Verwirklichung des Projektes wurde mir deutlich, dass es sich hier um sehr individuelle Ansichten von Flucht handelte, persönliche Erfahrungen aus unterschiedlichen Perspektiven: Flucht ins eigene Ich als eine Art innere Emigration, Flucht in die Sucht als Betäubung bei gescheiterter Identitätsfindung, Flucht in Traumwelten als Verdrängung der Realität, Flucht vor Gefangenschaft und schließlich auch Flucht vor Krieg und Verfolgung sowie die Flucht in den Tod.
Das Atelier der Gruppe verwandelte sich in eine Spielbühne für die unterschiedlichen multimedialen Auseinandersetzungen mit dem Thema: Zeichnungen, Collagen, Malereien, Foto- und Filmsequenzen, Rauminstallationen, mobile Skulpturen nahmen immer mehr Gestalt an.
Im gegenseitigen Austausch ergaben sich immer neue Fragen.
Fragen, deren Antworten nach bildnerischen Formen verlangten: neue ästhetische Herausforderungen, gemeinsame Dialoge auf einem Blatt Papier oder Filminszenierungen als Träger persönlicher Botschaften.
Diesmal war nicht nur die geschützte Atmosphäre im Atelier in Schermbeck der Ort des Geschehens, sondern auch die Städte Leipzig, Wesel und Duisburg wurden zu Schauplätzen der Aktivitäten der Gruppe.
Eine besondere Rolle spielte das alte, großzügige Gebäude der Trapp-Hallen in Wesel. Hier bot die Gruppe Nebelhorn offene Ateliers an und lud die Öffentlichkeit zum Mitwirken ein.
In diesem ungewöhnlichen Raum entwickelte Nebelhorn gemeinsam mit Musikern der Gruppe TonAkut Inszenierungen in denen bildende Kunst, schauspielerische Darstellung und Musik Freiraum gaben für außergewöhnliche Performances.
Fast neun Monate ist es her, dass das Thema Flucht sich in das Atelier der Gruppe Nebelhorn „hineinschlich“, fast unbemerkt und in behutsamer Form, so wie es einem manchmal im Traum ergeht. Irrationale Zusammenhänge aus dem Unbewussten, mahnend und erläuternd, machen uns wach, beunruhigen und verlangen nach Ausdruck.
Die Bilder, die in diesen traumähnlichen Zuständen geschaffen wurden, präsentiert die Gruppe Nebelhorn nun mit dieser Ausstellung der Öffentlichkeit.
Sie verstehen sich als aufklärerische Spiegelbilder, welche uns unsere oft verdrängten Fluchtversuche bewusst machen möchten.